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1836 wurde die Maschinefabrik in Zorge gegründet, um hier Güterwagen, Achsen, Räder und Achspfannen für die ersten Eisenbahnen in Deutschland herzustellen. Ab 1839 begann die Vorbereitungen zum Bau der ersten Lok. Diese entstand nach dem Vorbild einer englischen Lokomotive, Baujahr 1840, der Firma Sharp, Roberts & Co., Manchester. Es handelt sich dabei um eine 1A1-Lok mit Tender. Im Mai 1842 konnte die erste Lok an die Braunschweigische Staatsbahn geliefert werden, zwei weitere Maschinen folgten bis 1843. Eine vierte Lok wurde nach nur wenigen Monaten an die Hannoversche Staatsbahn verkauf.
Die zwei weiteren baugleichen Lokomotiven, die von der Braunschweigischen Staatsbahn bestellt waren, wurden gar nicht erst ausgeliefert und standen fast ein Jahr lang auf dem Fabrikhof. Sie waren als Ausgleich für die Annullierung eines Auftrags über vier Lokomotiven der Bauart "Dart" bei der Maschinenfabrik Zorge bestellt worden, jedoch gab es bei der Braunschweigischen Staatsbahn keine Verwendung. Erst 1845 konnten diese an die Hannoversche Staatsbahn verkauft werden. Es dürften dies die letzten in Zorge für Staatsbahnen gebaute Lokomotiven gewesen zu sein. Weitere Lieferungen erfolgen ab 1845 von verkehrsgünstiger gelegenen Firmen, u.a. von Borsig und der Maschinenfabrik & Eisengießerei Georg Egestorff (später HANOMAG), zu der auch ein Teil der Zorger Fachkräfte abwanderten. Auch war die Maschinenfabrik in Zorge nicht in der Lage, die mittlerweile benötigten stärkeren Lokomotiven selbst zu konstruieren und zu bauen.
Starke Probleme bereitet auch der Transport der Lokomotiven per Pferdefuhrwerk zur nächsten Bahnstation (1841 wurde die Strecke von Braunschweig bis nach Viennenburg eröffnet und Ende des folgenden Jahres bis Bad Harzburg verlängert). Der einzige Grund, warum man diese Umstände und die damit verbundenen Kosten überhaupt in Kauf nahm, lag darin, daß die Maschinenfabrik Zorge dem Herzogthum Braunschweig gehörte und man hier unabhängig von ausländischen Firmen Lokomotiven für die Braunschweiger Staatsbahn bauen wollte.
In Zorge entstanden neben den Lokomotiven auch Tender, deren Bau man 1851 an Egestorff abgab und sich nun auf den Bau von stationären Dampfmaschinen etc. beschränkte. Nach einer anderen Quelle sind noch bis 1849 weitere Lokomotiven, insgesamt etwa 40 Stück, gebaute worden. Über deren Existenz sind bisher jedoch keine Details bekannt. Zumindest der Bau weiterer Lokomotiven für die Staatsbahn nach 1845 erscheint sehr zweifelhaft, nachgewiesen sind aber für 1846 Kessellieferungen an die Sächsische Staatsbahn.
Eine günstigere Verkehrsanbindung ergibt sich erst mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Herzberg-Nordhausen 1869 zur wesentlich näher gelegenen Staatsbahnstation in Ellerich. Doch es wurden offensichtlich schon vorher der Lokbau wieder aufgenommen, denn 1867 gab es das folgende Loktypenprogramm:
Modell No. | Radstand (mm) | Cylinder- Durchmesser (mm) | Hub (mm) | Leistung horizontal bei 1:100 Steigung | Heizfläche (m2) | |
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Normalspurige Locomotiven | ||||||
I. | 1,568 | 155 | 250 | 100 t | 30 t | 8,00 stehender Kessel |
II. | 1,568 | 200 | 250 | 150 t | 42 t | 10,86 stehender Kessel |
III. | 1,568 | 250 | 250 | 250 t | 80 t | 17,09 stehender Kessel |
IV. | 1,568 | 285 | 360 | 400 t | 125 t | 25,00 stehender Kessel |
Schmalspurige Locomotiven | ||||||
V. | 1,078 | 111 | 183 | 35 t | 12,5 t | 5,07 stehender Kessel |
VI. | 1,046 | 170 | 275 | 125 t | 40 t | 13,60 liegender Kessel |
VII. | 1,400 | 225 | 300 | 225 t | 80 t | 20,00 liegender Kessel |
Der Lokomotivbau stand unter der Leitung des Berliner Monteurs Schulze, die Ergebnisse konnten jedoch nicht überzeugen. Deshalb übertrug man etwa 1870 die Leitung auf den Schlossermeister Busse, welcher zusammen mit 14 Arbeitern innerhalb von nur fünf Wochen eine tadellos funktionierende Lokomotive auf die Räder stellte.
Der Auslöser für den Bau einer ganzen Serie von Lokomotiven ist der am 26. Oktober 1867 erfolgte Verkauf der Maschinenfabrik an das Bankhaus Eltzbacher & Co.. Dieses Bankhaus erwirbt auch den östlichen Teil des Hüttenroder Grubenfeldes und baut ein Koks-Hochofenwerk in Blankenburg. Zur Verbindung zwischen Grubenfeld und Hochofenwerk wird die Erzstufenbahn (sogenannte Schurrenbahn) errichtet - und die dafür benötigten Lokomotiven werden in der eigenen Maschinenfabrik in Zorge gebaut. Mindestens sechs kleine Maschinen mit Stehkessel und 7,5 t Gewicht entstehen, eine davon ist 1873 auf der Weltausstellung in Wien zu bewundern.
Die letzte bekannte Stehkessel-Lok ging an die Papierfabrik Baienfurt, diese soll die Fabriknummer 67 und den Kessel Nr. 306 erhalten haben. Die Zeichnungen datieren aus dem Jahre 1893. Andere Quellen gehen davon aus, daß in Zorge nur bis etwa 1879 noch Lokomotiven gebaut wurden, denn 1880 gründete Busse eine eigene Maschinenfabrik und verließ damit das Werk in Zorge.
Erst 1907 wurde der Ort durch eine Kleinbahn erschlossen, zu diesem Zeitpunkt baute man in Zorge aber schon keine Lokomotiven mehr. Die Maschinenfabrik wurde 1914 stillgelegt und ist in den 1920er Jahren vollständig abgetragen worden.
Zwischen 1839 und 1851 wurden 6 Lokomotiven, 42 Tender und 25 Güterwagen geliefert. Über die Zahl der später gebauten Stehkessel-Lokomotiven gibt es leider nur bruchstückhafte Angaben, es sollen etwa 40 Stück gebaut worden sein. Eine andere Quelle (Heusinger) nennt sogar die Anzahl von insgesamt etwa 80 Maschinen bis 1882. Die Angaben des bei Schalterbrand aufgeführten Typenprogramms von 1867 decken sich mit einem Bericht zur Weltausstellung in Wien 1873. Die auf der Weltausstellung in Wien 1873 gezeigte Lok war vom Typ II., in der englischen Beschreibung dieser Lok wird auf die Typen I. und III. hingewiesen! Aus der höchsten bekannten Fabriknummer 67 kann nicht geschlossen werden, daß in Zorge 67 Lokomotiven gebaut wurden. Denn es wurden neben dem Bau von Kesseln auch Reparaturen an Lokomotiven durchgeführt, wobei nicht auszuschließen ist, daß auch diese eine Fabriknummer bekamen.
FNr. | Bj. | Bauart | Spurweite | geliefert | Empfänger/Verbleib |
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1 | 1842 | 1A1n2 | 1435mm | Mai 1842 | Braunschweiger Staatsbahn "ZORGE 5" (1861 a, 1865 v/v) |
2 | 1842 | 1A1n2 | 1435mm | 16.07.1842 | Braunschweiger Staatsbahn "HACKELBERG 6" (1867 a, v/v) |
3 | 1843 | 1A1n2 | 1435mm | 21.04.1843 | Braunschweiger Staatsbahn "HARZBURG 9" (1860 a, 1862 v/v) |
4 | 1843 | 1A1n2 | 1435mm | 06.10.1843 | Braunschweiger Staatsbahn /06.1844 Hannoversche Staatsbahn "MAGDEBURG 7" (1858 a) |
5 | 1844 | 1A1n2 | 1435mm | 17.01.1845 | Hannoversche Staatsbahn "ELBE 10" (1858 a) |
6 | 1844 | 1A1n2 | 1435mm | 19.02.1845 | Hannoversche Staatsbahn "BLANKENBURG 11" (1857 a) |
? | 1867 | Bn2t | 1435mm | neu | Empfänger unbekannt |
? | 1870 | Bn2t | 1435mm | neu | Empfänger unbekannt |
12 | 1872 | Bn2t | 1435mm | neu | Erzstufenbahn Braunesumpf-Blankenburg (ausgestellt auf der Wiener Weltaustellung 1873; 1885 a, ++) |
? | 1872 | Bn2t | 1435mm | neu | Erzstufenbahn Braunesumpf-Blankenburg (1885 a, ++) |
? | 1872 | Bn2t | 1435mm | neu | Erzstufenbahn Braunesumpf-Blankenburg (1885 a, ++) |
? | 1872 | Bn2t | 1435mm | neu | Erzstufenbahn Braunesumpf-Blankenburg (1885 a, ++) |
? | 1872 | Bn2t | 1435mm | neu | Erzstufenbahn Braunesumpf-Blankenburg (1885 a, ++) |
? | 1872 | Bn2t | 1435mm | neu | Erzstufenbahn Braunesumpf-Blankenburg (1885 a, ++) |
? | 1872 | Bn2t | 900mm | neu | ? /1903 Medaets & de Clercq te Terneuzen [NL] "22" (1910 a, v/v) |
? | 18xx | Bn2t | 1435mm | neu | Krupp, Essen |
? | 18xx | Bn2t | 1435mm | neu | Humboldtwerke (Maschinenbau-Anstalt Humboldt, Köln-Kalk?) |
? | 18xx | Bn2t | 1435mm | neu | nach Witten |
? | 18xx | Bn2t | 1435mm | neu | nach Gelsenkirchen |
? | 18xx | Bn2t | 1435mm | neu | nach Hettstedt |
33 | 18xx | Bn2t | 1435mm | neu | Empfänger unbekannt (1906 Instandsetzung in der Werkstatt der Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn) |
67 | 1893 | Bn2t | 1435mm | neu | Papierfabrik Baienfurt (v/v) |
1846 lieferte Zorge die Kessel für Lokomotiven, die von Stephenson an die Sächsische Staatsbahn geliefert wurden:
Mittlerweile konnte die Geschichte dieser kleinen, geschichtlich jedoch bedeutenden Firma relativ ausführlich geklärt werden. Ein besonderer Dank für die Informationen geht dabei an Manfred Dittmann, Geotz Buchholz und Christopher Wulfgramm.
Bei den Lokomotiven gibt es immer noch Lücken - Ergänzungen sind sehr willkommen!
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