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Während der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts kommen manche unternehmungslustigen und gut ausgebildeten Einwanderer vom Westen wie auch vom Osten nach Königsberg und in die Provinz Preußen, vielleicht weil sie nicht nach Amerika gehen können oder wollen. Die Pest, die Cholera und die Napoleonischen Kriege haben die Gegend entvölkert. Die Provinz braucht neue Menschen. Bis zur Mitte des Jahrhunderts, als die Eisenbahn erstmals den Westen und den Osten Deutschlands verbindet, lebt die Provinz fast ausschließlich von der Landwirtschaft. Wirtschaftliche und industrielle Entwicklungen gelten noch wenig in der Politik. Königsberg ist ein wichtiger Hafen für den russischen landwirtschaftlichen Export und jeglichen Import. Bei diesen Entwicklungen spielen Ausländer, besonders Juden, eine führende Rolle als Händler und im sonstigen Erwerbsleben. Im Jahr 1764 erhält der Schutzjude Daniel Itzig aus Berlin von Friedrich dem Großen ein Patent für den Bau einer Silbergießerei auf einem Grundstück an der Oberlaak, auf dem später eines der größten und ertragreichsten industriellen Unternehmen Deutschlands arbeiten soll. 1826 kauft die Gemahlin von Charles Hughes aus Birmingham, Frau Maria Theodora Christine aus der angesehenen Königsberger Familie Schnell, das Grundstück. Ihr Mann errichtet dort eine Eisengießerei.
Das Zustandekommen des Mascopie-Contract zwischen den Familien Laubmeyer, Dultz und Schnell am 1. Mai 1828 wird als Gründungsdatum für die Union-Gießerei angesehen, die zu diesem Zeitpunkt noch als "die alte Eisengießerei" bezeichnet wurde. Die Gießerei lag in Königsberg (dem heutigen Kaliningrad) in der Butterbergs Straße, die Bezeichnung "Union-Gießerei" taucht erstmals 1845 auf. Am 1. April 1846 übernimmt Johann Gottfried Dietrich Wilhelm Ostendorff (* 5. April 1812, + 23. September 1876) die Leitung der Firma. Ostendorff hatte in den Jahren zuvor in England den Bau von Schiffsmaschinen und auch von Lokomotiven eingehend studiert, dieses Wissen fließt nun in die Produktion der Union-Gießerei ein. So wird der Bau von Dampfmaschinen und die Kesselfabrikation aufgenommen. Auch der Schiffsbau beginnt, am 5. Juni 1855 läuft das erste Schiff mit einer 40 PS starken Dampfmaschine vom Stapel.
Im Jahr 1853 wird Königsberg mit Berlin durch die Eisenbahn verbunden. Die Brücken über die Weichsel, deren Konstruktion 1845 in Angriff genommen wurde, werden erst 1857 befahrbar. Ab 1853 nimmt auch die Union-Gießerei Verhandlungen zur Lieferung von Lokomotiven an die Königliche Ostbahn auf. 1854 wird die erste Lok in Auftrag gegeben, ein Jahr später wird am 5. Dezember die Auslieferung der ersten Dampflok der Union-Gießerei gefeiert. Dies ist der Beginn des Lokomotivbaus in Königsberg, welcher in den folgenden Jahren der bestimmende Geschäftszweig der Union-Gießerei wird. Die Union-Gießerei liefert 1855 die erste Dampflokomotive an die Königliche Preußische Ost-Bahn. Die hundertste Lokomotive verläßt das Werk 1878, die fünfhundertste 1890, die tausendste 1899. Zu dieser Zeit produziert die Union-Gießerei neben Maschinen aller Art auch Schiffe und Brücken, einschließlich der neuen Klappbrücken Königsbergs.
1869 tritt E. Radok (* 16. November 1840, + 30. März 1910) in die Firma als Oberingenieur ein, der zuvor bei A. Borsig in Berlin tätig war und den Lokomotivbau bei der Union-Gießerei in den folgenden Jahren entscheident beeinflußte. Nach Ostendorffs Tod 1876 führt Radok die Union Giesserei und widmet sein ganzes Leben ihrer Weiterentwicklung und der Entwicklung seiner neuen Heimat. Er ist nicht nur Firmenchef und Ingenieur, sondern spielt auch eine Rolle im öffentlichen Leben und erwirbt sich den Respekt aller, die mit ihm in Verbindung kommen. Er unterstützt die Entwicklung von Heimindustrieen und wird Mitbegründer einer neuen Bank. Von 1896 an ist er Mitglied des Stadtrats von Königsberg. Im Jahr 1899, bei der Feier der Fertigstellung der tausendsten Lokomotive, wird er zum Königlichen Kommerzienrat ernannt. Als Elias Radok 1910 stirbt, ist er ein wohlhabender und hochgeachteter Mann. Sein Begräbnis im Jahr 1910, das größte in Königsberg in jenen Jahren, vereinigt alle Arbeiter und Angestellten der Union-Gießerei mit vielen anderen Einwohnern Königsbergs beim Trauerzug zum Altstädtischen Friedhof an der Alten Pillauer Landstraße. Ein großer Findling, den man bei der Errichtung der neuen Fabrik am Pregel in Contienen fand, bedeckt sein Grab, in dem seine Gemahlin Jenny 1918 beigelegt wird. Das Grab wird ein Opfer der Kämpfe um Königsberg im Jahr 1945.
Schon vor dem Tod des Kommerzienrats Gottfried Ostendorff 1876 werden Entwürfe zur Umstrukturierung des Unternehmens erstellt. Man entscheidet letztendlich, das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Am 2. Juni 1881 erscheint die Bekanntmachung, daß die offene Handelsgesellschaft aufgelöst und in eine Aktiengesellschaft unter gleichnamiger Firma umgewandelt ist. Dem Vorstand des Unternehmens gehören E. Radok und Arthur Ostendorff (Sohn von Gottfried Ostendorff, * 18. Mai 1850, + 24. Juli 1891) an.
Bereits vor 1900 sah sich die Leitung des Werks gezwungen, die Fabriktionsstätten zu verlegen, da eine weitere Ausdehnung in Königsberg nicht möglich war und besonders die verursachten Geräusche dauernde Schwierigkeiten mit staatlichen und städtischen Behörden zur Folge hatten. Eine 1897 vorgesehene Verlegung am oberen Pregel, also östlich von Königsberg, mußte aufgegeben werden. Schließlich fand sich 1907 ein geeignetes Gelände am unteren Pregel beim damaligen Gut Contienen, vier Kilometer von Königsberg entfernt. Einen etwa drei Kilometer langes Bahnanschlußgleis zum Bahnhof Ponrath erhielt das Gelände 1908. Das normalspurige Gleis führte über Schiebebühnen und Drehscheiben zu sämtlichen Werkstätten, ergänzt durch eine ausgedehnte Schmalspuranlage. Den Verschiebedienst auf dem normalspurigen Gleis besorgte eine Kranlokomotive mit Oberleitung. Die Verlagerung erfolgte nach Fertigstellung der einzelnen Werkstätten kontinuierlich ohne jede Stockung und ohne Verzögerungen in der Fertigstellung der Aufträge und war bis zum Beginn des Krieges 1914 abgeschlossen. Die bebaute Fläche umfaßte 61.400 qm, 175.685 qm bereits erschlossenes Gelände und die freie Lage sicherten eine Ausbaufähigkeit, die leider nie genutzt werden konnte.
Nach dem Tod Radoks 1910 übernehmen die Oberingenieure Georg Panck und Paul Fischer zugleich mit dem Regierungsbaumeister a.D. Max Hartung die Leitung des Werks. Direktor Fischer mußte 1920 aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten und nach dem plötzlichen Tod von Georg Panck 1923 übernahm Hartung allein die Leitung bis zum Eintritt von Dr. ing. eh. Paul Brehm im November 1925.
Das Werk gehörte 1926 nicht zu denen, die im DRG-Lokquotensystem vertreten waren und automatisch einen bestimmten Anteil an den Aufträgen der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft bekamen. Es mußte (oder konnte) selbst mit der DRG verhandeln, vermutlich ist dies auch der Grund, warum 1925-1927 keine Lieferung in der Lieferliste zu finden sind. Erst im Zuge der "Ostlandhilfe" erhält die Union-Gießerei zusammen mit dem zweiten ostpreußischen Hersteller Schichau 1927 weitere Aufträge zum Bau der DRG-Baureihe 64 und 80. Aber das konnte den Lokomotivbau in Königsberg scheinbar auch nicht retten, 1929 wird die letzte Lokomotive aus diesem Auftrag ausgeliefert. Zwar sollte auch Union einen Teil der 50 von der DRG 1930 in Auftrag gegebenen Schnellzuglokomotiven bauen, jedoch scheiterten die Verhandlungen mit der DRG. Ab dem 17. März 1930 wird der Union-Betrieb als Zweigwerk der F. Schichau GmbH geführt, die 1931 das Unternehmen vollständig übernimmt.
Am 5. Dezember 1855 wird die Ablieferung der ersten Lok gefeiert, die sich offenbar bewährte, denn 1856 werden zwei weitere Maschinen für die Kreuz-Küstriner Bahn bestellt. Der Bau dieser Maschinen verzögert sich durch Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung (Bleche aus England), aber auch durch das Auftreten von Seuchen wie Cholera. Aus dem 1858 von der Ostbahn vergebenen Auftrag über 25 Lokomotiven liefert die Union-Gießerei bis 1860 sechs Lokmotiven, die anderen Maschinen werden von den damaligen Mitbewerbern, u.a. Borsig in Berlin und Schichau in Elbing (nur 2 Stück), gebaut. Auch wenn Borsig durch günstige Preise die Union-Gießerei beim Bau der ersten Lokomotiven unter Druck setzte, so bestand offensichtlich doch ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden Firmen. Erst 1866 folgen weitere Lieferungen, nun aber in wachsendem Umfang und in kontinuierlicher Folge.
Am 18. Juli 1874 wird die hundertste Lokomotive feierlich ausgeliefert. Bis 1890 sind bereits 574 Lokomotiven gebaut, der weitaus größte Teil wird an die preußische Staats- bzw. Reichsbahn geliefert, doch auch zahlreiche Maschinen gehen an andere Eisenbahnverwaltungen, insbesondere auch an Rußland. Lieferungen an Privat- und Werksbahnen blieben eher die Ausnahme, erst 1895 lieferte man die erste Kleinbahn-Tenderlok und eine Schmalspur-Tenderlok für 600-900 mm Spurweite.
Die Lieferung der 1000. Lokomotive kann am 13. März 1899 gefeiert werden, wiederum handelt es sich um eine Lok für die Staatsbahn. Am 11. August 1902 wird unter der Fabriknummer 1222 die erste Heißdampflokomotive geliefert. Bis 1912 hat man bereits 1954 Lokomotiven gebaut, vor allem preußische Personen- und Schnellzuglokomotiven (preuß. P 2, P 3.1, P 8, S 1, S 2, S 3) wie auch Güterzuglokomotiven (preuß. G 3, G 4.2, G 4, G 7.2) in beachtlichen Stückzahlen. Ebenso wurden relativ viele Tenderloks geliefert (preuß. T 3, T 4.1, T 7, T 9.1, T 9.2, T 9.3, T 11, T 12, T 13), hier ist besonders die bei Union entwickelte preuß. T 14 bzw. T 14.1 mit 499 gebauten Maschinen zu erwähnen. Für die DRG baute man letztendlich sieben Maschinen der BR 80 und 40 Stück BR 64. Die letzte Lieferung war die im August 1929 an die DRG gelieferte 64 224 mit der Fabriknummer 2842.
Das vorliegende Lieferverzeichnis wurde aus bekannten Lokomotiv-Lieferungen zusammengestellt, die hauptsächlich auf Staatsbahnlieferungen zurück greift und selbst hier kleine Lücken hat. In den sonstigen wenigen Lücken könnten sicher noch die ein oder andere Lieferungen an Privat- oder Werkbahnen verbergen, ev. bleiben diese Nummern aber frei oder es sind Ersatzkessel.
Stückzahl | Bemerkung |
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2.842 | höchste vergebene Fabriknummer |
-22 | Kessel |
-1 | Umbau |
-3 | nicht gebaut |
-24 | nicht belegt bzw. keine Lieferangaben bekannt |
2.792 | von Union nachweislich gelieferte Lokomotiven ab 1855 bis 1929 |
Die Produktpaltette umfaßt außerdem auch Dampfschiffe, Maschinen, Drehscheiben, Krane und Brücken. Darunter die Eisenbahnbrücken über die Drewenz bei Wormditt/Ostpr. (1924), die Insterbrücke bei Georgenburg/Ostrpr. (1924), die Passarge-Brücke der Strecke Schlobitten-Wormditt (1926) sowie die Hubbrücke des Holzhafens der Staatswerft in Pillau (1926).
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