Die 6000er der Deutschen Reichsbahn
Strecken und Fahrzeuge der enteigneten Privat- und Kleinbahnen in der DDR
Jürgen-UIlrich Ebel, Andreas Knipping, Klaus-Peter Quill, Andreas Stange
359 Seiten, ca. 350 Abbildungen - davon 2 Farbabbildungen, Format: 210 x 295 mm (hoch, DIN A 4), gebunden,
Knapp zwanzig Jahre nach Erscheinen des lange vergriffenen Klassikers "Privatbahnen in der DDR-seit 1949 im Reichsbahn-Eigentum", den der Rezensent ebenfalls im Buchregal stehen hat, erscheint eine Neuauflage, deren Seitenzahl sich gegenüber dem Werk aus dem Jahre 1982 mehr als verdoppelt hat. Das vorliegende Buch zeichnet das weitere Schicksal jener Privatbahnen und ihrer Schienenfahrzeuge auf, die nach 1949 in das Eigentum der Deutschen Reichsbahn der DDR gelangten. Dazu zählten neben den Lokomotiven und Triebwagen der verstaatlichten "klassischen" Privatbahnen auch solche Loks, die durch die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges in der DDR "gestrandet" waren oder aus den Beständen der Wehrmacht stammten.
In einem ersten Hauptkapitel gehen die Autoren auf die Enteignung der Privatbahnen und ihre Integration in die DR ausführlich ein. Ausgesprochen nützlich ist dabei die Tatsache, daß das weitere Schicksal dieser Strecken bis ins Jahr 1999 aufgezeigt wird. Das zweite Hauptkapitel widmet sich den Umzeichnungslisten der übernommenen Privatbahn-Dampfloks, den von anderen Eigentümern nachträglich übernommenen Dampfloks, sowie den ebenso übernommenen Dieselloks und Triebwagen. Tabellen mit den technischen Daten der übernommenen Fahrzeuge runden dieses Kapitel ab.
Der dritte Hauptteil befasst sich mit dem alltäglichen Einsatz der übernommenen Fahrzeuge, der Beheimatung und dem anschließenden Verbleib, wenn diese aus den Diensten der DR durch Verkauf ausschieden. Glanzpunkt des sauber verarbeiteten Buches ist sicherlich die tabellarische Übersicht zu den Beheimatungen an festen Stichtagen und zum Verbleib der Triebfahrzeuge sowie dem dort eingefügten umfangreichen, nach Nummern sortierten Bildteil. Beim Betrachten der ordentlich wiedergegegeben Bildaufnahmen wird dem Leser schnell klar, dass es sich dabei um eine Fleißarbeit aller vier Autoren handelt, die einem langjährigen, mühsamen Puzzlespiel gleichkam.
Und was hat das Buch nun mit dem Thema Werk- und Industriebahnen gemeinsam? Das Buch schließt wichtige Lücken in der Quellenforschung der Werklokomotiven. Angesprochenen werden zunächst die übernommen Lokomotiven der Wehrmacht, die ja schon zum Bereich der Anschlußbahnen zählen. Ab den 1950er Jahren gelangten eine Vielzahl der übernommenen Privatbahnloks recht schnell auf Werkbahngleise, da sie als Exoten bzw. Einzelgänger schnell zu einem Problem des Werkstättendienstes wurden. Mit Hilfe dieses Buches kann vor allem der Statistiker eine Vielzahl von Werklokbeständen einzelner Betriebe der DDR rekonstruieren bzw. Lücken in den vorhandenen Listen schließen. Denn welcher ehemalige VEB wußte in den 1990er Jahren noch, welche Loks dreißig Jahre vorher zum Einsatz kamen, wenn im Freudentaumel der neuen Währung und der daran anschließenden Wiedervereinigungseuphorie sämtliche Altunterlagen "entsorgt" wurden?
Das in der bekannt guten EK-Qualität für Standardwerke abgefasste Buch kann sowohl den Kleinbahn- wie auch den Industrienbahnkennern als Basiswerk für Forschungen auf dem Gebiet der DDR empfohlen werden. - msch