"Die Merck´sche Kleinbahn"
Auf schmaler Spur in der chemischen Fabrik 1901-1960
Berthold Matthäus - Mühltal - 2002 -
Um die Jahrhundertwende beginnt die chemische Fabrik E. Merck mit der Verlegung des Werks vom alten, zu klein gewordenen Standort in der Darmstäder Innenstadt hin zur sogenannten Täubcheshöhle am Stadtrand. Es entsteht eine moderne, weitläufige Anlage mit einer 2,5 km langen normalspurigen Anschlußbahn, auf der von Beginn an eigene Lokomotiven zum Einsatz kommen. Die Größe des Areals macht aber auch ein schmalspuriges Werkbahnnetz notwendig, welches mit 500 mm Spurweite das Gelände durchzieht und in einzelne Hallen führt. Hier werden Loren, Flachwagen und kleine Kesselwagen verschoben, allerdings kommen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs keine Lokomotiven zum Einsatz. Der Verschub erfolgt per Hand, dennoch wird für die innerbetriebliche Bahn sehr schnell der Begriff "Kleinbahn" geprägt. Mit gesteigertem Verkehrsaufkommen und dem weiteren Ausbau des Werks werden 1920 die ersten zwei Motorlokomotiven von der in Oberursel ansässigen Motorenfabrik beschafft. Da sich die Maschinen gut bewähren, folgen in kurzer Zeit weitere drei Lokomotiven. Es gibt einen regelrechten Fahrplan auf den "Hauptstrecken" im Werk und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ist "die Kleinbahn" das Transportsystem zur Bewältigung des internen Verkehrs. In den 1950er Jahren verdrängen dann aber Elektrokarren und Gabelstapler mit Anhängern die Bahn zusehends, da diese wesentlich flexibler eingesetzt werden können. Das umfangreiche Wagenmaterial und auch die Lokomotiven werden verschrottet.
Der Autor, selbst ein "Merck´er", hat das umfangreiche Archivmaterial zu einem wirklich beeindruckenden Werk über eine fast vergessene Werkbahn zusammengestellt. Selbst Dokumentarfilme aus dem Jahre 1921 werden in einzelnen Bildszenen wiedergegeben. So ist es kein Wunder, dass auf keiner der 112 Seiten über die schmalspurige Werkbahn Langeweile aufkommt. Die Bilder und Dokumente werden in guter Druckqualität großformatig wiedergegeben und mit Zitaten und informativen Text erläutert. Zwei kleine Schwächen bei der Lokstatistik fallen so kaum ins Gewicht, sie verwundern nur etwas: Es sollen fünf Maschinen hier gewesen sein, rechnet man aber nach und Berücksichtigt dabei das Deutz-Lieferbuch, so kommt man auf acht Schmalspurloks und nicht alle der drei altgedienten normalspurigen Dampfspeicherlokomotiven wurden verschrottet. Darüber kann man aber leicht hinwegsehen, wenn man sich die schönen Detailzeichnungen der Lokomotiven zusammen mit den Fotos anschaut. Es bleibt wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein Modellbahner das Werk mit der Werkbahn nachbaut, die sehr exakten Gleislagepläne fordern dies gerade zu heraus. Das Buch hebt ein typisches Transportsystem in einem Chemischen Betrieb aus der Versenkung und dokumentiert dieses in einer vorbildlichen Weise.