Bauartbezeichnung nach UIC-Kodex 612

Grieb, Schadow: "Verzeichnis der deutschen Lokomotiven 1923-1963", Transpress, Berlin, 1965:

"Die größte Verbreitung hat heute die Achsfolgebezeichnung in der Art von 1C2, 2D2 oder BoBo gefunden, die aus einem Vorschlag der seinerzeit führenden Zeitschrift ,,Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens" vom Jahre 1907 entstanden ist, 1908 vom Verband Deutscher Eisenbahnverwaltungen (VDEV, ab 1932 Verband Mitteleuropaischer Eisenbahnverwaltungen = VMEV) für seine Mitgliedsbahnen übernommen wurde und schließlich durch die UIC (= Union Internationale des Chemins dc Fer) im UIC-Kodex 612 zu Weltgeltung gelangte. Über den Rahmen der europäischen Normalspurbahnen hinaus findet diese Bezeichnungsform nun auch in der amerikanischen und sowjetischen Literatur Eingang, vor allem für Elektro- und Diesellokomotiven. Damit erlangte sie einen fast universalen Symbolwert, wie etwa auf kulturellem Gebiet die arabischen Ziffern oder die Musiknoten.

Die Klarheit dieses Systems ist augenfällig: Kuppelachsen werden mit Großbuchstaben entsprechend der alphabetischen Reihenfolge (A = 1 Kuppelachse, D = 4 Kuppelachsen) bezeichnet, für die Zahl der Laufachsen stehen davor und dahinter die entsprechenden arabischen Ziffern. Eine 1C2-Lokomotive hat also drei Kuppelachsen, davor eine und dahinter zwei Laufachsen.

Der Technische Ausschuß des VMEV beschloß bei seiner Tagung in Innsbruck (27. bis 29. Mai 1936) einige Ergänzungen dazu, die sich vor allem hinsichtlich der Gelenklokomotiven (Mallet, Garratt u. a.) und Elektrotriebfahrzeuge als notwendig erwiesen. Ein Apostroph hinter der Ziffer oder dem Buchstaben zeigt an, daß diese Achse nicht im Hauptrahmen gelagert ist. Ist eine ganze Achsgruppe nicht im Hauptrahmen gelagert, so wird sie in Klammern gesetzt. ... Der Apostroph hat sich allerdings nicht allgemein durchgesetzt und ist auch nach dem UIC-Kodex nicht vorgesehen. Daher unterblieb er auch in den Listen dieses Heftes. Steht hinter dem Buchstaben für die Kuppelachszahl eine kleine Null (o), so kennzeichnet dies Einzelachsantrieb. Diese Null als Index tiefzustellen, ist nicht vorgesehen; diese Fleißarbeit mancher Autoren ist überflüssig und erschwert unnötig die Arbeit des Setzers.

Laufachsen, die mit einem Hilfsantrieb versehen sind, werden mit Kleinbuchstaben bezeichnet, 1 Ba z.B. besagt, daß die hintere Laufachse einen Hilfsantrieb besitzt (z. B. Booster).

Lokomotiven, die aus mehreren, für sich allein arbeitsfähigen oder aus einzeln fahrbaren Bestandteilen ohne gemeinsamen Überbau bestehen, kennzeichnet ein + zwischen den einzelnen Achsfolgezeichen, z. B. 1C+C1.

Nur in Deutschland und Österreich haben sich für Dampflokomotiven zu der Achsfolgebezeichnung die zusätzlichen Angaben des VMEV eingebürgert:

h = Heißdampf (t für Trockendampf ist nicht vorgesehen)

n = Naßdampf

v = Verbundbauart (einfache Dampfdehnung wird nicht gekennzeichnet)

Die Zylinderzahl ist durch eine arabische Ziffer hinter der Dampfart anzugeben. 2Clh4v kennzeichnet also eine Vierzylinder-Verbund-Heißdampf-Lokomotive mit drei Kuppelachsen, einem zweiachsigen Laufachsdrehgestell vorn und einer Laufachse (Schleppachse) hinten. Für den Verwendungszweck (z. B. Schnellzugsiokomotive) oder für die Unterscheidung nach Schlepptender- oder Tenderlokomotive sah der VMEV kein Zeichen vor. Im deutschen Sprachraum hat sich aber ein Zusatz entsprechend dem (deutschen) Betriebsgattungszeichen (z.B. Pt, siehe Seite 17) eingebürgert, also z. B. 2C1h4v Pt-Lokomotive für den oben beschriebenen Typ als Personenzug-Tenderlokomotive. Abweichend davon verwenden manche Autoren ein hinzugefügtes t als Zeichen für Tenderlokomotive, z. B. lClt-h2 oder 1C1-h2t.

Tender werden mit T bezeichnet. Davor stehen die Symbole für seine Achsfolge, dahinter die Angaben für den Wasservorrat in m3. Die Angabe 4T31,5 kennzeichnet also einen vierachsigen Tender (wobei alle vier Achsen im Hauptrahmen gelagert sind) mit 31,5 m3 Wasservorrat. Ein vierachsiger Tender mit Drehgestellen erhält die Bezeichnung 2'2'T31,5.

Für Elektrolokomotiven hat der Technische Ausschuß des VMEV auch Zusatzbezeichnungen festgelegt, die sich aber nicht einmal im deutschen Sprachraum durchgesetzt haben und nur vereinzelt verwendet werden:

Stromart:

g = Gleichstrom

w = Wechselstrom d = Drehstrom

Motoren: Die Zahl der Motoren wird mit arabischer Ziffer auf die Zeile gesetzt Antriebsart:

k = Kurbelantrieb ohne Vorgelege

u = Übersetzungsvorgelege und Kurbelantrieb

e = Einzelachsantrieb mit hochliegenden, im Rahmen gelagerten Motoren

t = Einzelachsantrieb mit auf den Achsen ruhenden Tatzlagermotoren

gf = im Drehgestell gelagerter Motor mit gefedertem Antrieb zu den Radsätzen

Für Lokomotiven mit Verbrennungsmotoren hat der Technische Ausschuß des VMEV keine Zusatzbezeichnungen festgelegt, weil damals die Diesellokomotive nach bedeutungslos war. Heute finden wir gelegentlich folgende Angaben:

Energiequelle:

b = Benzin

d = Dieselöl

Kraftübertragung:

m = mechanisch

e = elektrisch

h = hydraulisch; auch hd = hydrodynamisch, hs = hydrostatisch

Motorbauart:

R= Reihenmotor

V= V-Motor

B= Boxermotor, auch H = Horizontalmotor

Vor dem betreffenden Buchstaben steht die Zylinderzahl und dahinter die Taktzahl, also 8V2 z.B. kennzeichnet einen 8zylindrigen Zweitakt-V-Motor."

aus:
Grieb, Schadow: "Verzeichnis der deutschen Lokomotiven 1923-1963", Transpess, Berlin, 1965