Linke-Hofmann-Werke LHW, Breslau


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Firmen-Geschichte nach Georg Hallama, Direktor des Verkehrsamtes der Stadt Breslau, 1924:

Im Jahre 1833 wurde die “Maschinenbau-Anstalt Breslau” ins Leben gerufen. Diese Firma verdankte ihre Gründung dem zielbewussten und vorausschauenden Breslauer Bankier C. H. Ruffer und dem “Königlichen Seehandlungs-Institut”. Den einheimischen Verhältnissen und Anforderungen entsprechend, erstreckte sich die Erzeugung dieses Werkes, das bereits von Anfang an eine eigene Eisengießerei besaß, auf die Herstellung vollständiger maschineller Einrichtungen für Berg-, Hütten- und Walzwerke, Zement- und Zuckerfabriken, Papiermühlen und Webereien. Daneben wurden aber auch Wasserräder, Transmissionen und Schleusenanlagen gefertigt. Außerdem ist der Bau von Dampfkesseln in großem Maßstabe betrieben worden. Dieses an sich schon umfangreiche Fabrikationsprogramm erfuhr später noch eine Erweiterung durch die Aufnahme des Baues von Dieselmotoren. Inzwischen war im Jahre 1839 durch den Stellmacher Gottfried Linke ein weiteres industrielles Unternehmen auf breiter Grundlage ins Leben gerufen. Diese “Waggonfabrik von Gottfried Linke” verstand es, die damals im Bau befindliche Oberschlesische Eisenbahn- durch die zufriedenstellende Lieferung von einigen tausend “Radwern” für die Dauer an sich zu fesseln und diese Beziehungen immer enger zu gestalten. Damit war ihr der erste Weg zum Großbetriebe eröffnet. Bereits im Jahre 1844 wurde auf der Strecke Breslau-Deutsch Lissa ein aus den Linkeschen Werkstätten hervorgegangener Kohlenwagen in den Dienst gestellt.

In den folgenden Jahren ging die montanindustrielle Entwicklung Breslaus mit raschen Schritten vorwärts. Im Jahre 1853 war die Seehandlung von ihrer Beteiligung an der “Maschinenbau-Anstalt Breslau” zurückgetreten, so dass deren Leitung nunmehr gänzlich in den Händen Ruffers lag, der in der Folgezeit seinen Namen und sein werk zu hohem Ansehen brachte.

Zu den beiden genannten werken gesellte sich im Jahre 1856 als drittes großes Unternehmen die “Eisenbahnwagenbau-Anstalt Gebrüder Hofmann”, die sich in der Hauptsache mit dem Bau von Eisenbahnwagen befasste und damit den Wettbewerb mit der älteren Firma Linke aufnahm. Daneben beschäftigte sie sich allerdings auch mit der Anlieferung von Gerätschaften für Feuerwehrzwecke. Der sich jetzt zwischen den beiden Rivalen entspinnende Wettbewerb war besonders für das ältere Werk ein Ansporn zu immer größerer Entfaltung seiner Kräfte. Bereits im Jahre 1858 war die Grenze für eine weitere räumliche Ausdehnung der “Waggonfabrik von Gottfried Linke” erreicht, und es musste die Verlegung des Unternehmens aus der Enge der Stadt in die Wege geleitet werden. Vor dem westlichen Tor Breslaus an der Striegauer Chaussee, dort wo noch viel Gelände zu räumlicher Entwicklung zur Verfügung stand, wurden die neuen Werkstattsgebäude errichtet, die zum Teil noch bis auf den heutigen Tag (gemeint das Jahr 1924 - U. Walluhn) erhalten sind., wenn sie sich auch nicht mehr im Besitze der Firma befinden.

Das von den engen Fesseln befreite Werk nahm nunmehr einen vorher kaum geahnten, gewaltigen Aufschwung, so dass es in steigendem Maße die voll berechtigte Aufmerksamkeit der Großfinanz auf sich lenken konnte. So wurde schließlich das Werk am 28. Februar 1871 unter Führung eines Finanzkonsortiums in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Und dieser die Bezeichnung “Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagen” beigelegt. Hierdurch erstarkt, gelang es dem Unternehmen, die inzwischen zur “Maschinenbau-Anstalt Breslau m.b.H. (vorm. C. H. Ruffer)” gewordene Ruffersche Fabrik, im Jahre 1897 sich anzugliedern. Ein weiteres überaus wichtiges Ereignis war die im Jahre 1912 vollzogene Verschmelzung mit der “Waggonfabrik Gebr. Hofmann & Co. Akt.-Ges.” unter der gemeinsamen Bezeichnung “Linke-Hofmann-Werke”.

Waren die ersten 25 Jahre seit der Gründung der “Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagen” nahezu ausschließlich der planmäßigen Entwicklung und Vervollkommnung von Erzeugnissen auf dem Gebiete des Eisenbahnwagenbaues gewidmet, so wurde jetzt eine wesentliche Erweiterung des Fabrikationsprogrammes vorgenommen durch die Aufnahme des Lokomotivbaues und des allgemeinen Maschinenbaues. Damit war eine wirtschaftliche Grundlage von außerordentlicher Bedeutung und größtem Umfang geschaffen, die eine Ausdehnung des Unternehmens weit über Breslaus Grenzen hinaus zur Folge hatte und zu immer neuen Erfolgen führte. So brachten die beiden Jahre 1917 und 1920 die Einverleibung zweier auswärtiger Werke, nämlich der bedeutenden “Waggonfabrik A.-G. vorm. P. Herbrand & Co. in Köln-Ehrenfeld” (gegründet 1866) und der bekannten “Papiermaschinenfabrik H. Füllner in Warmbrunn in Schlesien” (gegründet 1854).

Nach vorausgegangener Interessengemeinschaft erfolgte des weiteren im Jahre 1922 die endgültige Verschmelzung mit der “Aktiengesellschaft Lachhammer” (gegründet 1725, Akt.-Ges. seit 1872), deren Werke für die Breslauer Waggon- und Lokomotivfabriken als Lieferanten von Rohstoffen und Halbfabrikaten in großem Ausmaße in Frage kommen. Zur “Linke-Hofmann-Lauchhammer Aktiengesellschaft”, wie sich die Firma seit dieser Vereinigung bezeichnet, gehören außer den angeführten Werken noch die “Waggonfabrik J.G. Goossens, Lochner & Co, Brand bei Aachen”, das “Werdohler Stanz- und Dampfhammerwerk Werdohl i.W.”, das “Rheinische Waggonkontor Rudolf Lochner & Co., Aachen”, sowie das “Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf A.-G., Berlin”.

Im Jahre 1923 erfolgte eine weitere Verschmelzung , und zwar mit der “Archimedes Aktiengesellschaft für Stahl- und Eisenindustrie in Breslau und Berlin”. Diese betreibt in großem Maßstabe die Herstellung Schrauben, Muttern, Nieten und gepressten, sowie geschmiedeten und gestanzten Kleineisenwaren. Im Jahre 1875 in kleinem Umfange gegründet, hat sich das Unternehmen in verhältnismäßig kurzer Zeit zu einem der bedeutendsten dieses Industriezweiges entwickelt. Außer dem Hauptwerk gehören zur Archimedes A.-G. noch je eine Fabrik Berlin und in Schmiedefeld bei Breslau. Die Gesamtzahl der Beschäftigten belief sich bei der Übernahme dieser Firma auf etwa 2000 Arbeiter und Angestellte. Zur Herstellung der Fabrikate dient eine große Zahl von Pressen, Hämmern, Öfen und sonstigen Arbeitsmaschinen und Vorrichtungen, die zum Teil ganz selbsttätig arbeiten. Die Waren werden in roher, blank bearbeitetes, verzinkter oder lackierter Ausführung von den kleinsten bis zu den größten Abmessungen angefertigt und erfreuen sich im In- und Ausland gleich großer Beliebtheit.

Infolge der durchweg neuzeitlichen Einrichtungen der Werkstätten ist die Leistungsfähigkeit des Werkes eine sehr bedeutende. Als Verbraucher kommen alle Gewerbe und Industrien in Betracht, die zum Teil unmittelbar, überwiegend jedoch durch Vermittlung von Eisenhandlungen beliefert werden. Zur Erleichterung und Beschleunigung des Verkehrs mit der Kundschaft unterhält das Unternehmen in Breslau und Berlin umfangreiche Lager in den gangbarsten Erzeugnissen. Um sich in gewisser Beziehung selbständig zu machen, stellt sich die Firma in ihrem Breslauer Werke einen großen Teil der im Betriebe benötigten Maschinen selbst her.

Gegen Ende des Jahres 1923 ist schließlich ein weiterer Interessengemeinschaftsvertrag der Linke-Hofmann-Lauchhammer Aktiengesellschaft mit der “Oberschlesischen Eisenindustrie-Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb in Gleiwitz” zustande gekommen. Durch die zu diesem Unternehmen gehörenden Kohlengruben, Hochofen- und Walzwerke ist der Rohstoffbedarf der zum LHL-Konzern gehörigen Werke, und zwar nicht nur an Eisen und Stahl, sondern auch an Brennstoffen im wesentlichen sichergestellt. Insgesamt werden von den Konzernwerken zur Zeit etwa 50.000 Arbeiter und Angestellte beschäftigt.

Vom unscheinbaren Linke’schen Unternehmen als Kernzelle bis zum heutigen Weltkonzern, der vom schwarzen Diamanten bis zur lebenden Maschine auf eigenem Grund und Boden und in eigenen Werkstätten alles besitzt und herstellt, was zur Gewinnung, Bearbeitung und Veredelung von Eisen und Stahl notwendig ist, von jenen einfachen “Radwern” vor 80 Jahren bis zum heutigen Luxus-Salonwagen, das ist ein weiter Weg, dessen Zurücklegung nur einer weit vorausschauenden industriellen Einsicht im Bunde mit einer Tatkraft gelingen konnte, der man unbedingt Bewunderung zollen muss.


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© Jens Merte